„Meine Ex nagelt mich an die Wand“
Keine Bange, liebe Leser, die Überschrift entspringt nicht meinen persönlichen Erfahrungen, da ich es bereits nach einem Jahr der Trennung mit tatkräftiger Unterstützung des Jugendamtes (welches mir dabei geholfen hat, meinen Sohn zu mir zu holen), bereits recht erfolgreich geschafft hatte mit der Mutter meiner Kinder, ein gedeihliches Miteinander als Eltern herzustellen.
Es geht hier um das gleichnamige Buch der Schweizer Beziehungstherapeutin Catherine Herriger, in welchem sich die streitbare Frau (man möchte bei einem Blick auf ihre Literaturliste fast sagen „wieder“) an die Entmystifizierung der „heiligen Mutter“ macht, denn in den Köpfen und Amtstuben herrscht leider oft noch das Bild der guten Mutter, welche vor dem Täter „Vater“ beschützt werden muss. Sie demonstriert sehr anschaulich an Fallbeispielen, dass auch Frauen sehr viel Täterpotential haben, wenn sie ihre verletzte Eitelkeit über das Wohl ihrer Kinder stellen. Frau Herriger wirft in ihrem Buch einen Blick auf jene Männer, welche mit dem Sachbearbeiter des Jugendamts nicht soviel Glück hatten wie ich und somit nicht so erfolgreich waren bei dem Versuch – gegen den Willen der Mutter – als Vater im leben der Kinder präsent zu bleiben. Was diesem Buch eine berührend persönliche Note verleiht, ist das Frau Herriger auch als Scheidungskind einer solchen Mutter von ihren eigenen Erfahrungen der Eltern-Kind-Entfremdung schreibt.
Der Mann als Opfer
Mitnichten ist es deswegen ein Opferhandbuch für jammernde Männer geworden. Hier wird sich nicht unreflektiert über eine undankbare Ex ausgekotzt, auch wenn man oft das Gefühl hat, das wäre angebracht. Im Gegenteil sind die meisten Männer dabei sehr reflektiert, und sparen nicht mit Selbstkritik. Und wenn dann gerne wieder die Pauschalanklage PAS herausgekramt wird, weil die Kinder beim umgang erstmal eine Aufwärmphase brauchen, ist Frau Herriger auch mit den Männern nicht zimperlich wenn sie PAS als Parent accusation Syndrom umformuliert, weil Männer es sich manchmal auch einfach zu einfach machen wenn sie hinter jeder Aufwärmphase des Kindes eine negative Beinflussung durch die Mutter vermuten. Auch wenn Frau Herriger den Trennungsväter mit dem Buchtitel eine formidable Bühne zum selbstmitleid zu bauen scheint, tun sich die meisten Männer von sich aus doch schon schwer sich als Opfer zu inszenieren. Letztendlich geht es in diesem Buch auch nicht darum eine Pauschalanklage gegen Trennungsmütter zu formulieren., aber auch wenn sie sagt, dass jene Frauen, die sich auf dem Rücken ihrer Kinder am Ex-Partner rächen wollen (zum Glück) eine Minderheit sind, demonstriert sie sehr anschaulich, wie sehr das Gesetz und die umsetzenden Behörden heutzutage Männer teils massiv in der Frage einer selbstbestimmten Familienplanung diskriminieren. Aber auch hier tut sie sich schwer, den Mann zum Opfer einer verfehlten Familienpolitik zu stilisieren. Im Gegenteil gibt sie den Männern ihren Teil der Verantwortung an dem gegenwärtigen Dilemma zurück, denn während man die vergangen dreißig Jahre definiert hat, was eine Frau kann, darf und soll und somit die Behauptung Nietzsches dass „beim Weibe kein Ding unmöglich ist“ Realität hat werden lassen, haben sich die Männer familienpolitisch in eine passive Rolle schieben lassen. Entweder sind sie einfach dem klassischen Rollenbild treu geblieben, oder sie sich in einer Rollenbildumkehr an den Bedürfnissen der erstarkten Frau orientiert (Wer kennt sie nicht die Scheidungskinder, welche von ihrer Mutter als Therapieersatz missbraucht werden, die mit dem Gefühl groß werden, sie wollen das alles mal besser machen als ihr Mistkerl von Vater, der einfach kein Verständnis für die Bedürfnisse seiner Frau hatte).
Aber eines sollte diesen Männern klar sein: 50% aller Ehen scheitern nach durchschnittlich 7 Jahren und in der Rolle des Familienernährers werden sie im Fall einer Trennung immer die schlechtere Ausgangssituation haben, wenn es um die Frage geht, wo sich die Kinder aufgehobener fühlen. Und auch jene die im Verständnis für die Probleme ihrer Partnerin zu zweiten Muttertieren mutieren sollten sich klar machen, dass ihre Kinder keine zweite Mutter sondern einen Vater brauchen, der auch durchaus mit ihnen anders, sprich maskuliner umgehen darf.
Ich habe das Gefühl, dass viele Männer heutzutage dazu bereit wären, für ihre Kinder mehr als ein Sparschwein zu sein. Fehlen tut es hierfür vielleicht noch an lebenden – auch in den Medien präsenten – Vorbildern. Und Ewig nur auf ihrer „Opferrolle“ der Trennungsindustrie herumzureiten, wird diesen Männern auf Dauer genau so wenig Sympathien bringen, wie Alice Schwarzer und Konsorten, welche immer noch nur zu gerne mit dem ewig weiblichen Opfertremolo in der Stimme ins Rampenlicht rücken.
Die Emanzipation des Mannes
Genau genommen, ist Frau Herrigers Buch so etwas wie eine Kampfschrift für die männliche Gleichberechtigung, denn wenn wir uns in der Geschichte der Gleichberechtigung mal die Ursprünge der Frauenbewegung ansehen, so fing diese auch damit an, dass selbstbewusste Frauen analysiert haben welche Gesetze und gesellschaftlichen Normen den Frauen bei der Verwirklichung eines selbstbestimmten Lebens teils massiv benachteiligten. Wenn eine verheiratete Frau vor 1969 nicht als geschäftsfähig angesehen wurde und bis 1977 von Gesetz wegen nicht ohne Zustimmung ihres Ehemannes arbeiten durfte, war dies eine der – in gesetztestexte gegossene – Benachteiligung von Frauen, gegen welche seinerzeit angegangen werden musste und in den letzten dreißig Jahren auch glücklicherweise erfolgreich angegangen wurde.
Und genau dies tut auch Frau Herriger mit ihrem Buch, indem Sie an Fallbeispielen demonstriert, dass die Gesetze und Behörden dieser Minderheit von selbst- und rachsüchtigen Frauen, oft eine recht ungehinderte Handhabe bieten, wenn sie ihren eigenen Hass auf den Ex-Partner über das Kindeswohl stellen. Frau Herriger demonstriert, dass Frauen durchaus Täter sein können, und wie hier durch eine blinde Unterstützung der Mütter die Väter geopfert und somit dem gerne als Feigenblatt hochgehaltene „Kindeswohl“ mit Füßen getreten wird. In einem Trennungskonflikt einer Partei unabhängig davon, ob sich diese sich kooperativ und Bindungstolerant verhält, alle macht zu geben war noch nie eine gute Idee um einen Konflikt zu deeskalatieren. Aber genau dass ist es, was Trennungskinder am dringendsten brauchen, damit die Trennung ihrer Eltern nicht zu Trauma wird. Und dafür ist eine Geschlechtsneutrale Betrachtung des Trennungsverhaltens notwendig. Verletzten Eitelkeiten sollten verantwortungsvolle Eltern mit einem Therapeuten und nicht mit ihren Kindern klären.
Aber die Gesetzesgrundlage ist nur ein Aspekt um Männer eine selbstbestimmte Familienplanung zu ermöglichen. Der entscheidendere Teil in den 60ern war die kritische Auseinandersetzung mit dem klassischen weiblichen Rollenbild, und wenn die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder heute ein Buch mit dem Titel „Danke, emanzipiert sind wir selber!“ veröffentlicht, dann zeigt sie eigentlich nur, wie erfolgreich jene Emanzipationskämpferinnen doch waren. In den 60ern hätte sie dieses Buch sicher nicht geschrieben, aber als erfolgreiche Frau der 2010er Jahre braucht sie keine Bevormundung mehr durch Männer, ebenso wenig von Feministinnen, die ihr im 25 Aufguss einer Sexismussdebatte vorschreiben wollen, warum sie sich immer noch als Opfer einer patriarchalen Dominanz zu sehen hat.
Aber das ist der weitere Weg, und bei diesem Weg sind die Männer gerade am Anfang.
Dieses Buch ist eine wunderbarer Anfang für Männer, sich darüber mal Gedanken zu machen wohin sie ihr Weg führen soll.
Das hier ausgerechnet eine Frau, den Anstoß zur männlichen Diskriminierungsdebatte gibt, mag zwar widersprüchlich wirken, aber da Männer, die dieses in der Vergangenheit versucht haben (wie Matthias Matussek mit „Die vaterlose Gesellschaft“), von den Medien gerne als Maskulinisten abgestempelt wurden, welche das Rad der Zeit einfach auf die Zeit vor den 60er-Jahren zurückdrehen wollten, kann man Frau Herriger dankbar sein, dass sie sich als emanzipierte Frau dieses Themas angenommen hat.